Abmahnung im Arbeitsrecht – Fluch oder Segen? - 21.09.2015 Wochenkurier

Auch im Laufe eines Arbeitsverhältnisses kommt es manchmal zu Unstimmigkeiten zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Denn auch dem sorgfältigsten Arbeitnehmer passieren Fehler.
Handelt es sich dabei um einen kleineren Fehler, wird oft keine Folge erwartet. Ist die Verfehlung jedoch von größerer Bedeutung oder häufen sich kleinere Verfehlun-gen, so kann der Arbeitgeber prüfen, ob er darin eine Vertragspflichtverletzung sieht und ob er dieses Verhalten des Arbeitnehmers gegebenenfalls abmahnt. Denn eine Abmahnung ist das wohl bekannteste Mittel für den Arbeitgeber, Leistungsmängel oder Fehlverhalten beim Arbeitnehmer zu beanstanden. Sie ist der Ausdruck der Missbilligung eines Verhaltens unter Androhung der Beendigung des Arbeitsver-hältnisses für den Fall, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten in Zukunft nicht än-dert.
Rechtlich gesehen ist die Abmahnung kein Sanktionsmittel des Arbeitgebers, son-dern lediglich ein Instrument dafür, den Arbeitnehmer an seine vertraglichen Pflich-ten zu erinnern und ihn gegebenenfalls zu warnen. Zu warnen davor, dass bei weite-rem Fehlverhalten Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis im Ganzen drohen, die bis hin zur Kündigung reichen können. Der Arbeitnehmer wird durch eine Abmah-nung im Grundsatz nicht bestraft, sondern zu vertragsgemäßem Verhalten aufgefor-dert. Sie ist also ein Signal für den Arbeitnehmer, dass der Arbeitgeber ein bestimm-tes Verhalten des Arbeitnehmers nicht toleriert. Es liegt nunmehr am Arbeitnehmer selbst, dieses Signal aufzunehmen und entsprechend zu verarbeiten. Vor diesem Hintergrund kann eine Abmahnung auch dazu führen, dass sich das Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne des Arbeitgebers ändert und das Arbeitsverhältnis ent-spannt. Dies kann für beide Seiten hilfreich sein.

Manchmal schätzt der Arbeitgeber jedoch ein bestimmtes Verhalten des Arbeitneh-mers falsch ein und greift zu früh zum Mittel der Abmahnung. Das führt dann in der Regel dazu, dass sich der Arbeitnehmer ungerecht behandelt fühlt. In solchen Fällen hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich gegen eine Abmahnung zu wehren. Das kann einerseits durch eine sogenannte „Gegendarstellung" geschehen oder sogar durch eine gerichtliche Klage beim zuständigen Arbeitsgericht.
In einer Gegendarstellung teilt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber lediglich mit, dass er den abgemahnten Sachverhalt entweder so nicht begangen hat oder aber kein Fehlverhalten darstellt. Die Gegendarstellung muss der Arbeitgeber zur Personalakte nehmen und bis zum Ablauf der Abmahnungswirkung aufbewahren.
Ob eine Abmahnung wirksam erklärt wurde, kann im Streitfall auch durch ein Ar-beitsgericht überprüft werden. Vor einer solchen gerichtlichen Auseinandersetzung sollte jedoch stets sorgfältig geprüft werden, ob dadurch das Arbeitsverhältnis nicht noch mehr belastet wird. Im Normalfall sollte daher die Gegendarstellung des Ar-beitnehmers ausreichen, um dem Arbeitgeber die eigene Auffassung zur Abmah-nung mitzuteilen.
Die Abmahnung selbst ist formfrei möglich, sollte jedoch aus Beweisgründen immer schriftlich und zeitnah nach dem Fehlverhalten erfolgen.

RA Geßler
Fachanwalt für Arbeitsrecht