Helmpflicht für Radfahrer - Ja oder Nein?!" - 24.02.2021 Wochenkurier

Die Anzahl der verletzten oder gar getöteten Radfahrer ist in unserer Region seit zirka 10 Jahren nahezu unverändert hoch. Obwohl der allgemeine Trend mit Verkehrsunfällen insgesamt nach unten geht, steigt die Zahl der verunglückten Radfahrer erheblich. Dies wirft immer wieder die Frage auf, ob es denn notwendig und sinnvoll sei, eine allgemeine Helmpflicht in der Straßenverkehrsordnung zu verankern, sei es für alle oder nur für bestimmte Personengruppen (z.B. für Kinder). Denn eine solche gesetzliche Helmpflicht existiert in Deutschland bislang noch nicht.

Hintergrund für diese Argumentation ist selbstverständlich der bessere Schutz des Radfahrers durch den Helm.
Denn wenn ein Radfahrer mit einem Kraftfahrzeug kollidiert, dann führt das in der Regel dazu, dass der Radfahrer stürzt. Bei diesem Sturz landet der Radfahrer selten auf den Füßen oder dem Gesäß, sondern stürzt meist mit dem Kopf auf das Kraftfahrzeug oder auf die Straße. Dass dies häufig zu schweren Kopfverletzungen führt, ist logisch. Unbestritten kann ein Fahrradhelm diese Sturzfolgen abmildern. Das heißt, der Helm dient überwiegend dem Selbstschutz des Radfahrers. Die Frage lautet deshalb, ob der Staat gesetzlich eingreifen müsse, um hier den Radfahrer vor einer Selbstgefährdung zu schützen. Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Art. 2 des Grundgesetzes erlaubt es jedem Menschen u.a. auch, sich selbst zu schädigen.

Ob jedoch der Weg über eine gesetzliche Verpflichtung zum Helmtragen der richtige ist, bleibt zweifelhaft. Auch wenn der Radverkehr in den letzten Jahren stark zugenommen hat, die Geschwindigkeiten mit dem Fahrrad deutlich höher liegen (z.B. durch E-Bikes) und die radfahrende Bevölkerung demografisch auch immer älter wird, so sollten zunächst andere und mildere Mittel zur Helmpflicht ins Auge gefasst werden. Dies können z.B. Maßnahmen des Staates oder der Radfahrverbände sein, die ein Umdenken beim Menschen für ein freiwilliges Helmtragen erwirken. So wären Werbekampagnen vorstellbar, die aufzeigen, welche Gefahren durch das Helmtragen verringert werden könnten. Gute Aufklärung kann dazu führen, das Bewusstsein der Menschen dafür zu stärken, die Helme in und auf die Köpfe der Radfahrer zu bringen. Denn bei Kindern und Rennfahrern wird das Helmtragen bereits überwiegend praktiziert.

Aber auch die Rechtsprechung der zuständigen Verkehrsgerichte wird in Zukunft mit dafür sorgen, dass mehr Helm getragen wird. Denn grundsätzlich haftet bei einem Unfall zwischen einem unverschuldeten Radfahrer und einem Kraftfahrzeug überwiegend der Kfz-Fahrer, jedoch wird bei schweren Kopfverletzungen ohne Helm in Zukunft immer häufiger auch ein Mitverschulden des Radfahrers anzunehmen sein. Dies führt dazu, dass er weniger Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld erhält, als dies mit Helm der Fall gewesen wäre. Dies könnte dann unter Umständen zu einer „indirekten Pflicht“ führen, doch den Fahrradhelm aufzusetzen.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass es derzeit noch keinen Grund dafür gibt, die Helmpflicht per Gesetz anzuordnen. Es sollte durch gute und kluge Werbung erreicht werden, dass die Allgemeinheit den Vorteil des Helmtragens für sich und für jeden Angehörigen erkennt. Das führt dann in der Zukunft zwar nicht zu weniger Unfällen, aber sicher zu weit geringeren Verletzungsfolgen als ohne Helm. Um dieses Bewusstsein zum Schutz der Radfahrer zu verstärken, befasst sich auch regelmäßig der Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar mit diesem Thema. So geschah dies zuletzt im Jahr 2017, aber auch beim diesjährigen (virtuellen) Podium 2021. Auch hier wurde für ein freiwilliges Helmtragen der Radfahrer plädiert, was eine gesetzliche Verpflichtung derzeit noch obsolet macht.

RA Geßler
Fachanwalt für Verkehrsrecht